Frühere Filmvorführungen

Thema - Rübe ab. Faszination der guten Gewalt

Gewalt im Film, und vor allem im Fernsehen, ist ein großes Diskussionsthema. In unserer neuen Staffel zur Filmpsychoanalyse wollen wir nicht dumpfe Gewaltfilme zeigen, sondern die subtileren Aufforderungen zur handgreiflichen Konfliktlösung, die das gehobene Erzählkino präsentiert. Filme, die ohne unbedingt in Exzessen zu baden uns moralisch den Kopf verdrehen. Die zugleich erheben und verrohen – und dieses Paradox bemerken. Im Dunkel des Zuschauerraums nähren sie unsere Wünsche nach schneller Durchsetzung, verführen uns zur negativen Grandiosität der schmutzigen Lösung – zeigen aber zugleich, dass das Abgewehrte, das Böse, Kranke, Perverse, das besiegt und umstandslos erledigt werden muss, Ausgeburt unserer eigenen Phantasien ist. Julia Kristeva (1980) nennt dieses Andere, von dem wir nicht lassen können, das ‚Abjekt‘, das mit Ekel und Abscheu aus dem eigenen Körper Ausgestoßene. Das Paradox der guten Gewalt, die uns der Film als Lösung vorgaukelt, besteht darin, dass sie eben nicht funktionieren kann (sonst wird sie gleich wieder abjekt). Das sollten wir idealerweise schon im Kino merken – spätestens aber, wenn wir wieder draußen sind. Merken wir es nicht, so hat die Verführung nachhaltig gewirkt, und wir kommen an die Grenze zur Manipulation. Aus manchen Filmen dieser Staffel kommen wir mit subtil veränderten Überzeugungen. Darüber wollen wir in offener Diskussion mit dem Publikum sprechen. Also nicht lange gefackelt: Film ab!
Prof. Dr. Andreas Hamburger


Sonntag 26. Oktober 2014, 17:30 Uhr
Dirty Harry
- USA 1971 – R: Don Siegel – D: H.J. u. R.M. Fink, John Milius – K: Bruce Surtees – M: Lalo Schifrin – D: Clint Eastwood, Andrew Robinson, Harry Guardino – 102 min, OmU
Einführung und Diskussion: Eva Friedrich und Mathias Lohmer

Auf der Jagd nach einem psychopathischen Serienkiller überschreitet der lakonische, zynische Cop Inspektor Callahan - „Dirty Harry“ genannt, weil er notorisch für „dreckige Polizeiaufgaben“ geholt wird – serienweise Gesetze und Regeln, foltert den Tatverdächtigen für ein Geständnis über den Aufenthaltsort seines Opfers, verachtet Homosexuelle und Hippies und erweist sich als ein ähnlicher Außenseiter wie sein Widersacher. Der Film machte Clint Eastwood in seiner berühmtesten Rolle endgültig zum Weltstar und wurde zum Vorläufer berühmter „lonly cop“-Filme wie die „Stirb langsam“ Reihe mit Bruce Willis. Die zwiespältige Anti-Helden Figur löste eine heftige kontroverse Reaktion bei Publikum und Presse aus, verstieß mit ihrer konservativen, anti-liberalen Haltung dezidiert gegen den Zeitgeist und erfüllte doch zugleich die Sehnsüchte einer von Kriminalität und dem Vietnam-Trauma gezeichneten Kultur nach geradliniger, anti-autoritärer und lustvoll-gewalttägiger Durchsetzung von Gerechtigkeit und Rache.


Sonntag 23. November 2014, 17:30 Uhr
Volver
(Volver – Zurückkehren) – Spanien 2006 - R: Pedro Almodóvar – B: Pedro Almodóvar - M: Alberto Iglesias - D: Penelope Cruz, Carmen Maura, Lola Duenas – 121 min, OmU
Einführung und Diskussion: Katharina Leube und Heidi Spanl

Der Kritiker Gerhard Midding schrieb: „..Almodovars großes Talent besteht darin, seine Zuschauer Wege beschreiten zu lassen, auf die sie sich sonst nie trauen würden. Seine Erzählstrategien besitzen eine heikle Verführungskraft, die es schwer macht, augenblicklich ein moralisches Urteil zu fällen…“ Das trifft auf „Volver“ in besonderer Weise zu. Almodovar, der schwule Regisseur, liebt die Frauen, und weil er sie nicht begehrt, filmt er ohne Anzüglichkeit Blicke in pralle Dekolletees und auf wiegende Hüften. Er feiert den unwiderstehlichen Charme des Überlebenswillens seiner Protagonistinnen aus drei Generationen, bis hin zur Rückkehr aus dem Totenreich. Inzest, Missbrauch, Tod und Trauer, Totschlag, Krebs und Aufopferung, Ausbeutung und Arbeitslosigkeit, Gespenstisches neben rührender Alltäglichkeit, und der Sieg der Menschlichkeit durch Mitgefühl. Der einzige Mann, ein dumpf die Frauen befingernder Nichtsnutz, wird entsorgt, die anderen Väter ruhen von Anfang an unter schweren marmornen Grabplatten. Kein Wunder, machte doch der nervenzerrende Ostwind von La Mancha schon Don Quichotte verrückt. Wie er, erfinden sich die Frauen neu. Außer der toten Mutter zu ihren Töchtern, kehren zurück: Almodovar in seine Heimat, seine frühere Muse Carmen Maura zu ihm, Penelope Cruz ins europäische Arthouse-Kino und der Geist Carlos Gardels im titelgebenden Song.


Sonntag 21. Dezember 2014, 17:00 Uhr
Django Unchained 
- USA 2012 – R: Quentin Tarantino – B: Quentin Tarantino – K: Robert Richardson - D: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo die Caprio, Kerry Washington – 180 min, OmU
Einführung und Diskussion: Matthias Baumgart und Irmgard Nagel

Dr. King Schulz, eine eigentümliche Mischung aus Zyniker und Idealist, angeblich Zahnarzt, mit Worten ebenso geschickt wie mit dem Colt, geht erfolgreich dem Gewerbe eines Kopfgeldjägers nach. Seine Geschäfte bringen ihn in Kontakt mit dem Sklaven Django, den er kauft und wie versprochen frei gibt, nachdem er mit seiner Hilfe ein Banditentrio zur Strecke gebracht hat. Schulz ist fasziniert von Djangos fast übermenschlichen Talenten und von dessen Treue zu seiner Frau Broomhilda. Er macht ihn zu seinem Partner und beschließt, ihm zu helfen, sie aus den Händen des skrupellosen Sklavenhändlers Calvin Candy wiederzugewinnen. Der Film verlötet Elemente des Italowestern- und Blaxploitation-Genres und unterlegt das Ganze mit einem virtuos zusammengemixten Soundtrack. Die Charaktere werden vielfach comicartig überzeichnet, dennoch oder vielleicht gerade deswegen bleiben wir, die Zuschauer, bis zum tarantinotypisch-splatternahen Finale intensiv emotional beteiligt. Tarantino gelingt es also durch seine Bilder und Geschichten unseren „inneren comic-strip“ anzusprechen.


Sonntag 18. Januar 2015, 17:00 Uhr oder 17:30 Uhr
Amour
(Liebe) - Frk. 2012 - R: Michael Haneke - B: Michael Haneke - D: Jean-Louis Trintignant, Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert - 125 min, OmU
Einführung und Diskussion:Vivian Pramataroff-Hamburger und Andreas Hamburger

Anne und Georges sind beide über 80 Jahre alt. Das kultivierte Ehepaar lebt in einer herrschaftlichen Altbauwohnung in Paris. Nach einem Schlaganfall kommt Anne aus dem Krankenhaus halbseitig gelähmt zurück. Georges kümmert sich liebevoll um sie, obwohl er damit an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Mit fast perverser Perfektion zeigt Haneke den Verfall des alternden Körpers und das quälende Auslöschen des Geistes. Die Qual wird von beiden Seiten erlebt und gezeigt. Die Zuschauer verwickelt der Film in eine chirurgische Operation am offenen Herzen der Liebesbeziehung. Leidenschaftslos präpariert Haneke den unmerklichen Übergang zum gewaltsamen Ende. Beethovens Bagatelle, eines der seltenen Musikstücke im Film, verrät programmatisch, wie auch der Zuschauer das tragische Ende erleben wird: als moralische Bagatelle.


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