Frühere Filmvorführungen

Thema - Lustspiele

Psychoanalyse der Filmkomödie – ist das nicht ein tristes Unterfangen? Soll man Witze erklären? Dass man das durchaus vergnüglich tun kann, zeigte schon Sigmund Freud 1905 mit seinem Buch „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewu゚ten“. Die Komödie stand dabei freilich nicht im Mittelpunkt, und das Kino schon gar nicht. Das hat er bekanntlich verabscheut: Selbst wenn es, meinte er noch 1927, so modern sei wie der Bubikopf, so werde er sich doch keinen schneiden lassen. Inzwischen hat der Film den Bubikopf ebenso wie die Psychoanalyse gefeiert, veräppelt und sich weiterentwickelt, wie auch unser psycho-analytisches Wissen. Für die zeitgenössische Film-Psychoanalyse ist die Komödie das beste Beispiel dafür, dass die entscheidende „Zündung“ des Kunstwerks im Kinosaal selbst erfolgt, und zwar in jedem Subjekt selbst, wenn auch nicht „rein subjektiv“. Wenn Psychoanalytiker heute sich mit der Filmkomödie befassen, geht es längst nicht mehr allein um die Entbindung verdrängter Triebregungen, sondern auch um das Timing von Pointen, die subversive Kraft des Humors und das Janusgesicht des Lachens, das Abwehr und Aufdeckung zugleich umfasst.

Am ersten Tag der Filmreihe kombinieren wir einen kürzeren Film (Ducksoup – Die Marx Brothers im Krieg) diesmal mit einem Einleitungsvortrag zum Thema. Die Reihe wird im Herbst fortgesetzt.
Prof. Dr. Andreas Hamburger, Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie München und IPU Berlin


Sonntag 25. März 2012, 17:30 Uhr
Duck Soup
- USA 1933 – R: Leo McCarey – B: Bert Kalmar, Harry Ruby – K: Henry Sharp – M: John Leipold – D: Groucho, Harpo, Chico, Zeppo Marx, Margaret Dumont, Louis Calhern – 68 min, OmU
Kurzvortrag „Freuds Witz und die Psychoanalyse der Filmkomik“: Andreas Hamburger.
Einführung und Kommentar: Mathias Lohmer, Salek Kutschinski


Zum Auftakt unserer „Humor im Film-Reihe“ zeigen wir einen Klassiker des anarchischen, lustvoll-dekonstruktivistischen Slapstick-Humors: die Marx-Brothers bemächtigen sich eines fiktiven Operettenstaates mit seinen Militärs, Politikern und Oberschichtparvenüs und zerlegen Kabinettssitzungen, Cocktailparties und Rituale zwischenstaatlicher Beziehungen nach allen Regeln der Kunst. Groucho als zynisch-wortgewandter Hochstapler, Chico als herrlich „Italianita“ simulierender Underdog und Harpo als sexwütig-stummer Anarchist entlarven politisches Pathos, narzisstische Selbstüberhöhung und Hohlformen bürgerlichen Wohlverhaltens hemmungslos als Posen. In Wortspielen und raschen Dialogen, die auf der Tradition der spontanen Wortgefechte der „stand-up-comedians“ beruhen und virtuos-stummen Eskalationen der gegenseitigen Schmerzzufügung, die auf die nur knapp zurückliegende Stummfilmära von Buster Keaton und Laurel und Hardy verweisen, bringen die Marx Brothers ihre ganz eigene Mischung von Sprach- und Bewegungswitz furios zum Einsatz.


Sonntag 29. April 2012, 17:30 Uhr
To Be or Not to Be
- USA 1942 - R: Ernst Lubitsch – B: Edwin Justus Mayer – M: Werner Richard Heymann - D: Carole Lombard, Jack Benny – 99 min, OmU
Einführung und Kommentar: Katharina Leube, Irmgard Nagel

Im August 1939, kurz vor dem Einmarsch der Nazis, probt eine Warschauer Theatertruppe ein Anti-Hitler-Stück, zu dessen Uraufführung es nicht mehr kommen wird. Überrollt von den historischen Ereignissen stürzen sich die Schauspieler, eben noch mit Eitelkeiten, Liebeleien, Eifersüchten und der Frage nach ihrer eigenen Bedeutung beschäftigt, in den realen Widerstand gegen die Besatzer, in dem ihr ganzer Mut, Einfallsreichtum, Witz und nicht zuletzt ihre schauspielerischen Fähigkeiten bald von lebensrettender Bedeutung sein werden... in dieser genialen Satire, gedreht im Dez 1941, also unmittelbar vor der Wannseekonferenz, handhabt Lubitsch virtuos seine Neigung zum Spiel mit den Genres und zum Stilbruch, changierend zwischen Liebeskomödie, Verwirrspiel zwischen Theater und Leben, dokumentarischen Wochenschau-Elementen und schließlich grimmiger Farce. Trotz der auch in den USA schon bekannten Verbrechen der Nazis, wagt es Lubitsch, uns in "Konzentrationslager- Erhard" ohne jeden psychologischen Realismus das fürchterliche Gesicht einer zur Wahrheit verzerrten Gestapo- Karikatur zu zeigen. Die prekäre Spirale von wachsender Gefahr, in der es tatsächlich um " Sein oder Nichtsein " geht und der Frage, ob man über das Grauen lachen darf, hält Lubitsch bis zum Schluss durch - und gewinnt.


Sonntag 20. Mai 2012, 17:30 Uhr
King of Comedy
- USA 1983 - R: Martin Scorsese – B: Paul D. Zimmerman – M: u.a. Harold Arlen, Ray Charles, Chrissie Hynde, Bob James, Van Morrison - D: Robert De Niro, Jerry Lewis, Diahnne Abbot, Sandra Bernhard, Shelley Hack – 104 min, OmU
Einführung und Kommentar: Matthias Baumgart, Corinna Wernz

Rupert Pupkin (Robert de Niro) ist, wie so viele Scorcese-Protagonisten, ein „Niemand“, der ein „Jemand“ werden will, und zwar unbedingt als Komiker - wie sein Idol und Gegenspieler, der berühmte Showmaster und Comedian Jerry Langford (Jerry Lewis). Da es Pupkin in zahllosen Anläufen nicht gelingt, den kalten Star zu überreden, ihn in seiner Show auftreten zu lassen, entführt er ihn schlie゚lich, assistiert von der liebestollen Langford-Stalkerin Masha (Sandra Bernhard), um sein Ziel durch Erpressung doch noch zu erreichen. Die Komik dieser Konstellation entfaltet sich am Negativen, nämlich an der Abwesenheit des sinnlich-Lustigen, was beiden Antipoden vollkommen fehlt. Die beiden sind sich dadurch ähnlicher, als ihnen lieb sein kann: Langford und Pupkin sind füreinander Zerrspiegel. Wir Zuschauer betreten also ein sarkastisches Spiegelkabinett, in dem sich nicht nur die amerikanische Medienwirklichkeit abbildet, sondern die Erfolgsideologie der amerikanischen Identität insgesamt.


Sonntag 24. Juni 2012, 17:30 Uhr
Some like it hot
- USA 1959 - R: Billy Wilder - B: Billy Wilder, A.L.Diamond. - D: Marilyn Monroe, Tony Curtis, Jack Lemmon - 120 min, OmU
Einführung: Katharina Leube, Vivian Pramataroff-Hamburger

Zwei Musiker (Jack Lemmon, Tony Curtis) kommen zufällig der Mafia in die Quere und suchen Zuflucht in einem Damenorchester. Schon mit diesem ersten Akt der Travestiе wird das unterschwellige Thema des Films angedeutet: Angst vor (und Lust an) Sexualitдt und sexueller Identitдt. Spannend wird es, als die beiden verkleideten Helden die schцne Sugar (Marilyn Monroe) kennenlernen. Tony Curtis verkleidet sich nun erneut, diesmal als angeblich impotenter Millionдr, und bringt Sugar in die Situation der Therapeutin - und wдhrend sie sich mit ihm abmüht, wird immer wieder auf den zweiten Helden (Jack Lemmon) geschnitten, der als Mädchen verkleidet mit einem alten Playboy Tango tanzt (auch dieser Tanz ist Teil der rasanten Inszenierung). Wir sehen die gespielte Impotenz im Parallelschnitt mit der überspielten. Die berühmte Schlusspointe des Films fasst die Problematik der Gender Identity bündig zusammen. Mit seinem „ Nobody is perfect“ hat Billy Wilder 1959 die ganze Welt beruhigt. Die Mischung von Gangsterfilm-Parodie und romantischer Verwechslungskomцdie in hervorragender Besetzung versetzt die Zuschauer in diverse Rollen, identifiziert ihn mit wechselnden Geschlechtern – ein Spiel, das jeder aus seiner Kindheit kennt. Am Ende kцnnen wir über uns selbst lachen und verdanken Billy Wilder eine gute analytische (Doppel-)Sitzung.

Thema: noch mehr Lustspiele

Jetzt wird‘s ernst! Die letzte Komödienstaffel und unser hingebungsvolles Publikum haben uns ermutigt, der leichten Muse noch etwas näher zu treten. Nach den Titanen des Genres in der ersten Staffel, den Marx Brothers, Ernst Lubitsch und Billy Wilder, hatte uns Martin Scorseses King of comedy bereits einen Vorgeschmack auf die Metakomödie gegönnt, die davon lebt, dass im Film das Filmkomische selbst aufs Korn genommen wird. In unserer neuen Staffel geben sich weitere Artisten der Selbstreferenz die Ehre: Woody Allen, der die Psychoanalyse als Leinwand benutzt, Crichton und Cleese, die aus einer Heist-Vorlage ein unwiderstehliches Pointenpatchwork häkeln, Bill Murray, der sozusagen aus dem Film nicht mehr herauskommt, und zum Abschluss der Altmeister des Verschwindens, Jaques Tati, der am komischsten ist, wenn er gar nichts macht. Was die Psychoanalyse dazu zu sagen hat? Verraten wir nicht.
Prof. Dr. Andreas Hamburger, Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie München und IPU Berlin


Sonntag 21. Oktober 2012, 17:30 Uhr
Annie Hall
(Der Stadtneurotiker) – USA 1977 – R: Woody Allen – B: Woody Allen, Marshall Brickman – K: Gordon Willis – M: Carmen Lombardo, Isham Jones – D: Woody Allen, Diane Keaton - 93 min, OmU
Kommentar: Matthias Baumgart

Der erfolgreiche Komiker Alvy Singer (Woody Allen) liebt und verliert die Sängerin Annie Hall (Diane Keaton): Kein neues Thema in der Filmgeschichte. Aber wie Allen das Paar sich in ständigen, hypomanischen Selbsterklärungen finden – und natürlich hauptsächlich verfehlen lässt, wie Alvy ständig von autobiographischen Assoziationen heimgesucht wird, die ihm helfen sollen, sich zu verstehen und ihn doch nur verwirren und uns belustigen, das ist nicht nur einzigartig komisch, sondern Woody Allen hat mit seinem Film einem Männertyp der 70er Jahre ein ironisches Denkmal gesetzt, den der deutsche Verleihtitel „der Stadtneurotiker“ ausnahmsweise einmal gut erfasst. Wie virtuos der Film auch formal ist, mit seinen locker ineinander geschachtelten Rückblenden, seinen Doppelbelichtungen, dem direkten Ansprechen des Filmpublikums und mit seinen Untertitelungen: Das kann man mehr als drei Jahrzehnte nach der Entstehung fast noch besser genießen als beim ersten Sehen.


Sonntag 18. November 2012, 17.30 Uhr
A Fish Called Wanda
(Ein Fisch namens Wanda) - USA 1988 – R: Charles Crichton – B: John Cleese, Charles Crichton – K: Alan Hume – M: John Du Prez - D: John Cleese, Jamie Lee Curtis, Kevin Kline - 108min, OmU
Kommentar: Heidi Spanl
Moderation: Katharina Leube-Sonnleitner


Aus der Feder des Monty- Python–Stars John Cleese stammt diese britische Kult-Komödie von 1988. Wanda und drei Gangstern gelingt in London ein Diamanten-Coup. Der Plot um ein Gaunerquartett gibt den Autoren Gelegenheit, schwärzesten britischen Humor mit einem lustvollen Angriff auf bürgerliche Moral- und Ehrvorstellungen zu verbinden. Tabus werden außer Kraft gesetzt im befreienden Lachen über Behinderung, Verklemmung, Tierliebe, über den Anspruch auf Treue, Ehrlichkeit und Anstand. Lebensformen von „geordneter Sexualität“ und Versuche sexueller Befreiung gehen ineinander über, ebenso verbindet sich britischer und amerikanischer Humor.


Sonntag 13. Januar 2013, 17:30 Uhr
Groundhog Day
(Und täglich grüßt das Murmeltier) - USA 1993 – R: Harold Ramis – B: Danny Rubin – K: John Bailey – M: George Fenton – D: Bill Murray, Andie MacDowell, Chris Elliot – 101 min, OmU
Kommentar: Mathias Lohmer
Moderation: Eva Friedrich


Phil Connors (Bill Murray) ist ein zynischer TV-Wetteransager, der wie jedes Jahr im Februar über ein Wetterritual in Illinois berichten muss, bei dem ein erwachendes Murmeltier das Frühjahr ankündigt. Zu seinem Schrecken muss er erkennen, dass er in einer Zeitschleife festhängt, die jeden Tag aufs Neue in seinem Hotelzimmer beginnen lässt. In seinen verschiedenen Versuchen, der endlosen Wiederholung zu entkommen, erlebt Connors, in der Zeit eingeschlossen zu sein. Die ist Anlass für witzige und absurde Situationen, aber auch eine Entwicklungsgeschichte, in der er sich vom Zyniker zum Menschenfreund wandelt. Ob in der Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“, den „Terminator“-Filmen oder eben Groundhog Day – für den Film war es immer eine faszinierende Möglichkeit, mit den Zeitebenen spielen zu können, aus ihr herauszutreten, in Zeitlöcher oder –Schleifen zu geraten, in der Zukunft oder Vergangenheit festgehalten zu sein und versuchen zu müssen, in die eigene, „richtige“ Zeit zurückkehren zu können. Zeiterleben und die besondere Komik, die mit diesen Situationen gestaltet werden kann, werden uns in der Diskussion zu diesem Film besonders beschäftigen.


Sonntag 17. Februar 2013, 17:30 Uhr
Les Vacances de Monsieur Hulot
(Die Ferien des Monsieur Hulot) - Frankreich 1953 – R: Jaques Tati – B: Jaques Tati, Henri Marquet, Pierre Aubert, Jaques Lagrange – K: Jaques Mercaton – M: Alain Romans – D: Jaques Tati, Natalie Pascaud, Michele Rolla - 110 min, Om engl.U
Kommentar: Corinna Wernz
Moderation: Andreas Hamburger


In diesem Film präsentiert Tati die Ausnahmesituation nordfranzösischer Badeferien auf eine Art und Weise, dass wir aus dem Staunen und Lachen nicht herauskommen. Mit dem ihm ganz eigenen slapstickhaften, dem Stummfilm verwandten skurrilen Humor schildert er die Fährnisse eines Außenseiters, der die heterogene Gruppe der Urlauber fortwährend irritiert und stört, aber durch magisch wirkende Tenniskompetenz auch in Bann versetzt. Während er von den meisten Mitgästen wegen seines ungewollt „asozialen“ Verhaltens abgelehnt wird, gewinnt er doch durch seinen chaotischen Charme die Sympathie der allseits begehrten Martine. Die Komik entsteht durch die körpersprachlichen Eigenheiten des Protagonisten, den Lärm und die Tumulte, die er in der Gruppe produziert, und die Kettenreaktionen von Alltagskatastrophen, die er unabsichtlich auslöst.


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