Alle Filme werden im Filmmuseum München
St. Jakobs-Platz 1,
im Stadtmuseum gezeigt.
Telefon :
(089) 23 39 64 50
alle früheren Filme:
Freud verwahrte sich scharf dagegen, die Psychoanalyse im Spielfilm zu vermarkten. Lieber ließe er sich einen Bubikopf schneiden, meinte er, als dabei mitzuwirken. Doch sind seit ihrer
gleichzeitigen Entstehung Ende des 19. Jahrhunderts Film und Psychoanalyse eng miteinander verbunden. Sie haben das 20. Jahrhundert geprägt und sich gegenseitig beeinflusst. Im Film
tauchen Analytiker seit Dr. Mabuse, Dr. Brulov (in Spellbound) und Dr. Lowenstein (Prince of Tides), als Verbrecher, Käuze und engagierte Heiler auf: „Dr. Evil, Dr. Dippy und
Dr. Wonderful“ sind zu Lieblingschargen des Kinos geworden. Oder sie fungieren als erklärende Handlungsteilnehmer, die Zusammenhänge und Hintergründe des Geschehens verdeutlichen und
die Konflikte der Protagonisten mentalisieren. Umgekehrt sind filmische Metaphern und Techniken in die Sprache und die Theorie der Psychoanalyse eingedrungen. Die Leitfrage unserer
Staffel ist: Wie funktioniert Psychoanalyse im Film, welche Projektionen trägt sie und welche bewussten und unbewussten Reaktionen im Zuschauer ruft sie hervor? Und wie verändert das
Kino die Psychoanalyse?
Prof. Dr. Andreas Hamburger
Sonntag 18. März 2018, 17:30 Uhr
Geheimnisse einer Seele - D 1926 – R: Georg Wilhelm Pabst - 97 min
Der Film wird live auf dem Klavier begleitet von Richard
Siedhoff - Einführung und Diskussion: Andreas Hamburger
Als Abraham und Sachs sich 1925 bereit erklärten, die Produktion des Films Geheimnisse einer Seele beratend zu unterstützen, war Freud so verärgert, dass er die Neue Freie Presse
dementieren ließ: „Die Nachricht, daß er zu diesem Film seine Zustimmung gegeben habe, entspricht nicht den Tatsachen. Professor Freud gedenkt auch weiterhin keinen Film unter seinem
Namen drehen zu lassen“. Freud wollte Abstand zu filmischen Coverversionen des Unbewussten wie Caligari, Nosferatu und Mabuse, und schließlich erzählte auch Geheimnisse eine r Seele doch
eher brav die Geschichte der analytischen Heilung einer Zwangsneurose. Expressionistische Stilelemente, eine vor allem in den Traumsequenzen experimentelle Kamera- und Schnitttechnik und
eine zwielichtig-geheimnisvolle Inszenierung des Analytikers beschwören zwar das Dämonische, doch schließlich wird es in ein biedermeierliches Happy End aufgelöst, das den Heilungserfolg
der Analyse hervorheben soll. Dennoch ist der Film ein Klassiker, der den Auftakt zum Genre bildet: Analyse als Gesundheitsagentur oder als Fenster zur Abseite des Lebens?
Sonntag 08. April 2018, 17:30 Uhr
Eine Couch in New York - B, D, F 1996 – R: Chantal Akerman – 109 min, OmU
Einführung und Diskussion: Irmgard Nagel, Corinna Wernz
Die Pariser Tänzerin Béatrice Saulnier (Juliette Binoche) und der New Yorker Psychoanalytiker Henry Harriston (William Hurt) tauschen nach einer entsprechenden Zeitungsannonce für sechs
Wochen ihre Wohnungen, ohne sich bisher begegnet zu sein. Beide sind unzufrieden mit ihrem Leben und suchen Abstand zum Alltag. Während der gestresste Ordnungsfanatiker Henry in der
chaotisch-gemütlichen Pariser Dachwohnung seiner Gastgeberin seine Depressionen nicht lindern kann und vorzeitig nach New York zurückkehrt, übernimmt Béatrice nicht nur Henrys penibelst
aufgeräumtes Luxusappartement sondern auch gleich seine neurotischen Patienten, in deren Leben sie mit ihrem quirligen Charme und ihrem wohltuenden Interesse an menschlichen Schwächen
wieder Schwung bringt. Als Henry sich inkognito auf seine eigene Couch legt, nimmt das Schicksal seinen Lauf, wie es in einer romantischen Komödie eben zu sein hat. Don't analyze this!
Sonntag 29. April 2018, 17:30 Uhr
What about Bob? (Was ist mit Bob?) - USA 1991 – R: Frank Oz – B: Tom Schulmann, Alvin Sargent - K: Michael Ballhaus - D: Bill Murray,
Richard Dreyfuss - 95 min, OmU
Einführung und Diskussion: Matthias Baumgart
Bob Wiley (Bill Murray) ist der Alptraum jedes Therapeuten: Multiphobisch, behandlungsresistent und grenzenlos grenzüberschreitend in seiner Bedürftigkeit. Sein voriger Therapeut
befreite sich von ihm, indem er ihn durch Schmeicheleien – nur der Beste von Allen sei für diesen Patienten der Richtige – beim eitlen Dr. Leo Marvin (Richard Dreyfuss) unterbrachte. Als
der in Urlaub fährt, fährt Bob kurz entschlossen hinterher – zum großen Verdruss von Dr. Leo, aber sehr bald zur Freude von dessen Familie. Auch wir Zuschauer sind angetan, denn
Darsteller Bill Murray wirbt unwiderstehlich für die in Bobs Pathologie gebundene Lebendigkeit: Er ist zwar hochneurotisch, aber in seiner emotionalen Offenheit auch ein willkommener
Kontrast zum letztlich beziehungsunfähigen Familienoberhaupt. Hilflos und zunehmend wütend muss Dr. Marvin erleben, wie Bob ihm in jeder Hinsicht die Schau stiehlt. Es kommt zu einem im
wahrsten Sinne des Wortes explosiven Showdown.
Sonntag 10. Juni 2018, 17:30 Uhr
La stanza del figlio (Das Zimmer meines Sohnes) - I, F 2001 – R: Nanni Moretti – B: Nanni Moretti, Heidrun Schleef,
P Guiseppe Lanci - D: Nanni Moretti, Laura Morante, Jasmine Trinca - 99 min, OmU
Einführung und Diskussion: Katharina Leube-Sonnleitner, Eva Friedrich
Das Original-Filmplakat: im Vordergrund die unscharfe übergroße Abbildung eines Jungen, der vom Hintergrund aus liebevoll von seinem Vater betrachtet wird. So fühlt es sich an, wenn das
Leben sich plötzlich um eine alles beherrschende Leerstelle herum neu justieren muss. Eine italienische Mittelstandsfamilie wird durch einen Unfall aus ihrem normalen, erfreulichen Alltag
gerissen, und jeder der drei Trauernden bleibt letztlich mit seinem unermesslichen Schmerz allein. Besonders der Vater, ein Psychoanalytiker, hadert mit sich und seinem Schuldgefühl, mit
Szenarien, wie das Unheil hätte vermieden werden können. Voller Empathie und mit klarer Sicht auf die conditio humana zeigt uns Nanni Moretti, dass ein professioneller Helfer angesichts
der unvermeidlichen Gefährdungen des Lebens keine Techniken zur Linderung seines eigenen Leids parat hat, und auch Anderen manchmal nur eines geben kann: das Unerträgliche gemeinsam
aushalten. Und er versorgt uns fürsorglich mit einem tröstlichen Ende und dem freundlichen Ausblick auf ein fundamental verändertes, aber mögliches Weiterleben.
Sonntag 08. Juli 2018, 17:30 Uhr
Analyze this (Reine Nervensache), USA 1999 – R: Harold Ramis - B: Keneth Lonergan, Peter Tolan - D: Robert De Niro, Billy Cristal,
Lisa Kudrow - 103 min, OmU
Einführung und Diskussion: Vivian Pramataroff-Hamburger
Dr. Sobel, ein Shrink, wird ziemlich ultimativ von einem neuen Patienten aufgesucht – der Mafiaboss Paul Vitti leidet an Arbeitsstörungen, er kann nicht mehr killen. Ablehnen wäre
gefährlich, also nimmt er ihn an, und wie zu erwarten war, gestaltet sich die Therapie eher stürmisch. Der Film zieht die Zuschauer in ein Karussell von Pointenkaskaden, ein Lacher folgt
dem anderen. Die brillante Komödie in bester Hollywood Tradition wäre freilich nur eine witzige Komödie, wäre da nicht die tiefere analytische Ebene. Die Beziehung zwischen Arzt und
Patient entwickelt sich neben allen Gags therapeutisch authentisch bis zur Kulmination: dem Traum vom Therapeuten und seiner Deutung während des Showdowns - „Thinking under fire“.
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