Frühere Filmvorführungen

Thema: Helden 2

Heroen haben viele Gestalten. Einige „Heldenfiguren und - schicksale“ haben wir in der letzten Staffel im Rahmen „Psychoanalyse und Film“ vorgestellt, jetzt wollen wir diese Reihe fortsetzen. Der Held – es hat ihn immer gegeben, sei es in den Bildern des Ostens, in den Sagen der Griechen oder in den Legenden der Bibel. Berühmte Vertreter sind Prometheus, Jason, Aeneas, Buddha oder Moses. In der menschlichen Entwicklung sind sie Vorbilder und Identifikationsgestalten. Im Film tauchen sie auf als Weltenretter vor irdischen und außerirdischen Gefahren, als Detektive und Kriminaler und als Westernhelden.
Mit Helden beschäftigen sich Philosophen, Literaten, Künstler, Filmemacher und natürlich auch Psychoanalytiker. Ein Held stellt sich einer übergeordneten Aufgabe, einer Herausforderung jenseits individueller Interessen, durchlebt innere und äußere Gefahren und Kämpfe bis an den Rand seiner Existenz und ist dabei geleitet von der Erfüllung von Pflicht, Moral, Ethik, Gerechtigkeit. Am Ende kehrt er von dem Kampf zurück und bringt Lehre, Veränderung, Erlösung, Rettung. Das ist die positive Seite des Heldentums.
Es gibt eine andere Seite, die uns in der Psychoanalyse ebenso interessiert: der Antiheld, die zweite Seite des Helden. Film sowie Psychoanalyse dekonstruieren das Heldentum und machen unbewusste Motive sichtbar. Das kann in der Tatsache gipfeln, dass es nicht den Helden gibt, sondern die Vorstellung von einem Helden. Nicht der Held ist, sondern wir, die kollektive Zuschreibung, erschaffen ihn. Die „edlen Motive“ eines Helden können oberflächlich sein und Wut und Hass in sich tragen, die der Held außerhalb seiner selbst, im Anderen bekämpft. Psychoanalyse stellt Konzepte zur Verfügung, die es ermöglichen, bewusste sowie unbewusste Prozesse wahrzunehmen und zu benennen. So nehmen wir im Kino mit unseren Augen und Gefühlen wahr, was die bewegten Bilder dieser Heldengestalten in uns ansprechen. Die ausgewählten Filme werden Analytikerinnen und Analytiker nach einer kurzen Einleitung mit Ihnen zusammen anschauen und anschließend gemeinsam besprechen und diskutieren.
Dr. Eva Friedrich, Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie


Sonntag 20. Februar 2011, 17:30 Uhr
The Man Who Shot Liberty Valance (Der Mann, der Liberty Valance erschoss)
- USA 1962 – R: John Ford – B: James Warner Bellah, Willis Goldbeck – K: William H. Clothier – M: Cyril J. Mockridge, Alfred Newman – D: James Stewart, John Wayne, Lee Marvin – 118 min, OmU
Einführung und Kommentar: Salek Kutschinski und Mathias Lohmer

Schon im Eindeutigkeit vortäuschenden Titel, der während der Filmbetrachtung zur Kippfigur mit zwei Männern wird, ist der Verweis auf eines der berühmtesten Kinozitate aller Zeiten enthalten: „When the legend becomes fact, print the legend!“. Geht es also um die Frage, welcher der beiden männlichen Hauptfiguren der eigentliche Held der Geschichte sei, oder vielmehr darum, dass der raubeinige Rancher und der kultivierte Senator beide zwei Facetten des „Westen“ verkörpern, die zusammen gesehen werden müssen?

Sonntag 30. Januar 2011, 17:30 Uhr
Taxi Driver
- USA 1976 – R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader – M: Bernhard Herrmann – K: Michael Chapman – D: Robert De Niro, Peter Boyle, Cybill Shepherd, Jodie Foster, Harvey Keitel – 114 min, OmU
Einführung und Kommentar: Eva Friedrich und Matthias Baumgart

Travis Bickle (Robert de Niro), Ex-Marine, schlaflos und kaputt, fährt Nacht für Nacht sein Yellow Cab durch das ebenso kaputte New York der 70er Jahre, einsam, begleitet nur vom melancholischen, manchmal bedrohlichen Soundtrack (Bernhard Hermann). Er versucht eine Beziehung zur Wahlkampfhelferin Betsy (Cybill Sheperd) aufzubauen und scheitert. Travis´ isoliert sich immer mehr, gleichzeitig wächst sein verzweifelter Hass auf die ihn umgebende Amoralität. Als er die noch halb kindliche Hure Iris (Jodie Foster) kennenlernt, festigt sich seine Phantasie, gegen den ihn umgebenden „Abschaum“ ein todbringendes Zeichen zu setzen. Präzise und schonungslos, fast dokumentarisch führt Scorcese uns den inneren Abgrund eines desorientierten „Helden“ vor Augen und schafft es doch, dass dessen Blick auf die Welt uns nahe kommt.


Sonntag 19. Dezember 2010, 17:30 Uhr
The Silence of the Lambs
- USA 1990 – R: Jonathan Demme – B: Ted Tally – M: Howard Shore – K: Tak Fujimoto – D: Jodie Foster, Anthony Hopkins, Scott Glenn, Ted Levine, Anthony Heald – 118min, OmU
Einführung und Kommentar: Irmgard Nagel und Vivian Pramataroff

Ein Psychoduell auf allerhöchstem Niveau – die junge FBI-Schülerin Clarice Starling (Jodie Foster) wird auf den in einem Hochsicherheitsgefängnis für Geisteskranke gehaltenen hochintelligenten Psychiater Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) angesetzt, um ihm Informationen über einen Serienmörder zu entlocken. Aber Lecter, selbst als “Hannibal the Cannibal“ in die Geschichte der Serienmorde eingegangen, weil er seine Opfer ausweidete und ihre Innereien aß, holt erst einmal aus Clarice das Verborgene … . Der Film erhält seine Faszination und beinahe unerträgliche Spannung aus der Beziehung der beiden Protagonisten, die sich im Laufe des Films immer mehr zu einem Meister-Schüler-Verhältnis entwickelt. Wer ist der Held oder die Heldin? Aus dieser personifizierten Spannung bezieht “Das Schweigen der Lämmer“ vor allem seinen Kultstatus. Der Film gilt als einer der besten Thriller aller Zeiten.


Sonntag 21. November 2010, 17:30 Uhr
Taugenichts
- D 1977 - R: Bernhard Sinkel – B: Alf Brustellin und Bernhard Sinkel nach der gleichnamigen Novelle von Joseph von Eichendorff - K: Dietrich Lohmann – M: Hans-Werner Henze - D: Jaques Breuer, Mareike Carriere, Matthias Habich – 90 Min.
Einführung und Kommentar: Salek Kutschinski, Corinna Wernz

Mindestens so hintergründig-heiter wie im Eichendorffschen Original schlägt sich der junge Protagonist in Bernhard Sinkels schwebenstem Film mit der Unterstützung von Hans-Werner Henzes Zaubermusik heldisch von Tag zu Tag zur Erfüllung eines ureigensten und dennoch zeitlos gültigen carpe diem-Lebensgefühls. Ein hintergründig-politisches Filmkunstwerk aus der Zeit des „Deutschen Herbst“.
Der Regisseur, anlässlich dessen 70. Geburtstags wir den äußerst selten zu sehenden Film zeigen, wird im Anschluss an die Vorführung mit Referenten und Publikum diskutieren.


Sonntag 24. Oktober 2010, 17:30 Uhr
La grande Illusion
- F 1937 – R: Jean Renoir – B: Jean Renoir, Charles Spaak - M: Joseph Kosma – K: Christian Matras – – D: Jean Gabin, Pierre Fresnay, Erich v. Stroheim, Marcel Dalio, Dita Parlo, Gaston Modot – 120 min, OmU
Einführung und Kommentar: Katharina Leube- Sonnleitner, Mathias Lohmer

La Grande Illusion“ spielt während des in Frankreich „La Grande Guerre“ genannten 1. Weltkriegs. Der Film wurde 1937 von Jean Renoir, Sohn des Impressionisten Auguste Renoir, realisiert, also am Vorabend des 2. Weltkriegs. Er erzählt die Geschichte dreier französischer Offiziere, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten. Renoirs These, daß nicht so sehr verschiedene Nationalitäten als vielmehr Klassenunterschiede das Verhältnis der Menschen zueinander prägen, variiert der Film mit der differenzierten und lebendigen Darstellung von Freundschaft, Kameradschaft und Hilfsbereitschaft über die Grenzen verordneter Feindschaft oder realer sozialer Unterschiede hinweg. Hierin liegt das eigentliche Heldentum der Protagonisten. Der Adel in Gestalt eines französischen Gefangenen und seines deutschen Kommandanten verständigt sich in Würde darüber, daß seine Zeit abgelaufen ist und geht unter. Dadurch wird es den beiden anderen Offizieren aus der Arbeiterklasse und dem aufstrebenden Bürgertum ermöglicht, zu überleben. Unvergleichlich, wie Renoir diese historisch-politischen Zusammenhänge mit einer zutiefst humanen Haltung in der Darstellung menschlicher Beziehungen, individueller Beweggründe und Charaktere, sowie deren Motive, Sehnsüchte, und Desillusionierungen, zeigt.
Der pazifistische Film war zunächst beim kriegsmüden französischen Publikum ein großer Erfolg, beim Festival von Venedig wurde eigens für ihn eine neue Sieger-Kategorie, die „Coppa volpi“ geschaffen, da er unter Mussolini nicht gewinnen durfte und ebenso wie in Hitler- Deutschland bald verboten wurde. Er erlebte auch nach dem Krieg eine sehr wechselvolle Rezeption und gilt als Meisterwerk des poetischen Realismus in Frankreich und Meilenstein der Filmgeschichte.


Sonntag 26. September 2010, 17:30 Uhr
Raining Stones
- GB 1993 – R: Ken Loach – B: Jim Allen – M: Stewart Copeland - D: Bruce Jones, Julie Brown, Gemma Phoenix, Ricky Tomlinson, Tom Hickey – 90min, OmU
Einführung und Kommentar: Heidi Spanl und Corinna Wernz

Die Zeit des Postthatcherismus, Bob lebt mit seiner Frau Anne und Tochter Coleen in einem Arbeiterviertel in einer nordenglischen Stadt. Es gibt keine Arbeit. Neben einer geringen Arbeitslosenunterstützung versucht er seine Familie mit Gelegenheitsjobs durch zu bringen. Als ihm sein grüner Van gestohlen wird und er erfährt, dass das Kommunionkleid seiner Tochter ca. 100 Pfund kostet, bricht sein bisher schon fragiles finanzielles Überlebenskonzept zusammen. Bobs vielfältiges persönliches Engagement, das hierfür nötige Geld aufzutreiben, spiegelt die Grenzen individueller Bewältigungsversuche und politisch gesellschaftlicher Strukturen wider. Sein Stolz erlaubt es ihm nicht, ein Kommunionkleid zu leihen. Bob entwickelt sich nicht zum Superhelden, doch zum Helden in der Arbeiterklasse, der nicht resigniert und aufgibt. Trotz viel Tristesse und Armut verzichtet Ken Loach nicht auf Humor, dieser kommt ganz aus der Realität der Figuren.


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