Alle Filme werden im Filmmuseum München
St. Jakobs-Platz 1,
im Stadtmuseum gezeigt.
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alle früheren Filme:
Unser Begehren ist im Rahmen der Wirklichkeit bekanntlich unstillbar: Lust will ja, wie schon Nietzsche wusste, „tiefe, tiefe Ewigkeit“, die aber niemals zu finden ist - eine Erkenntnis, die wir Menschen nur
allzu gerne verleugnen. Zum Glück für das Kino, denn die Darstellung von Illusionen, die wir als Verlangen alle in uns tragen, ist um ein Vielfaches attraktiver als es jede Abspiegelung der Realität sein könnte.
Folgerichtig entfalten die Filme dieser Staffel zwar Szenerien, die uns das Vergebliche grenzlosen Begehrens zeigen – aber sie tun es auf höchst anziehende Weise. Zwei Mal sehen wir dabei Versuche, das Ersehnte dauerhaft zu
sichern: In Atame! bindet ein junger Mann die von ihm erwählte Frau im Wortsinne - durch Fesselung - an sich, in En attendant Bojangles verschließt sich eine junge Familie zugunsten eines dauerhaften Stimmungshöhenfluges
vollständig dem Ernst des Lebens. In den anderen beiden Filmen, in Les Olympiades und in The Unbearable Lightness of Being wird den Begrenzungen der Realität durch wechselnde sexualisierte Beziehungsspiele Paroli geboten.
Wir sehen also unterschiedliche Mechanismen, Lösungsversuche und auch deren Scheitern. Allen vier Filmen gemeinsam aber ist die Fähigkeit, mit den Mitteln der Illusionsmaschine Kino die Wahrheit unserer Faszination für das
Unerreichbare, Imaginäre offenzulegen.
Matthias Baumgart
Sonntag, 1. Oktober 2023, 17:00 Uhr
En attendant Bojangles Frankreich, Belgien 2022 |R: Régis Roinsard | D: Romain Compingt, Régis Roinsard | K: Guillaume Schiffman | M: Clare Manchon,
Olivier Manchon | Mit: Romain Duris, Virginie Efira, Grégory Gadebois | 124 min | OmU
Einführung und Moderation: Andreas Hamburger
Mit hinreißendem Schwung tanzt sich ein Paar aus der Wirklichkeit – ein Rausch, der immer weitere Kreise zieht. Erzählt wird der Film aus der Sicht des Sohnes, der mitschwebt im Zauberreich seiner Eltern, und doch
auch ein reales Kind bleiben muss – oder? Trotz zunehmend tragischer Verstrickungen bleibt ein Sehnen nach narzisstischer Verleugnung. Verkörpert wird diese reine Grazie auch von dem gefiederten Mitbewohner der
Familie, dem Jungfernkranich Mademoiselle Superfécatoire. Unter der scheinbar schwerelosen Oberfläche gibt es freilich dunklere Schichten, auf die schon der Filmtitel verweist: Becketts En attendant Godot und den
durch Sammy Davis jr. und Nina Simone berühmt gewordenen Song über den melancholischen Tänzer Mr. Bojangles. Und auch der hat eine Geschichte.
Sonntag, 26. November 2023, 17:00 Uhr
Les Olympiades Frankreich 2021 | R: Jacques Audriard | D: Jacques Audriard, Léa Mysius, Céline Sciamma | K: Paul Guillaume | M: Clement Ducol, Rone |
Mit: Lucie Zhang, Makita Samba, Noemi Merlant, Jehnny Beth | 106 min | OmU
Einführung und Moderation: Matthias Baumgart
Mit wechselnden Schwerpunkten folgt die Kamera vier jungen Personen durch das Pariser 70er-Jahre-Viertel Les Olympiades: Émilie (Lucie Zhang), Camille (Makita Samba), Nora (Noemie Merlant) und Amber (Jehnny Beth).
Diese vier taumeln mal unsicher, dann wieder entschieden durch Affären, berufliche Entwürfe und Freundschaften, wechseln dabei schnell und oft unvermittelt zwischen Offenheit und schroffen Rückzügen.
Wir sehen die Unwägbarkeiten des Lebens großstädtischer Millenials, wo die Suche nach einem Untermieter in einer leidenschaftlichen, zunächst kurzlebigen Affäre und das Aufziehen einer Perücke in der Zuschreibung
einer Porno-Identität enden kann. Wir Zuschauer blicken fasziniert auf diese souverän-schönen und auch noch in wunderbarem, zwischentonreichem Schwarzweiß fotografierten Protagonisten und ihre jungen Körper.
Dennoch suchen wir mit Ihnen zunehmend nach einem Ausweg aus dem Reigen, den sie zu bilden scheinen, da sie uns – wie auch sich untereinander – immer vertrauter werden und vertrauenssehnsüchtiger erscheinen.
Sonntag, 28. Januar 2024, 17:00 Uhr
Atàme! Spanien 1989 | R: Pedro Almodóvar | D:Pedro Aldomòvar | K: Jose Luis Alcaine | M: Ennio Morricone | Mit: Victoria Abril, Antonio Banderas,
Loles Leon, Rossy de Palma, Agustín Almodóvar, Francisca Caballero | 111 min | OmU
Einführung und Moderation: Katharina Leube-Sonnleitner
Darf, kann man diesen Film in Zeiten von „Me Too“ noch oder wieder zeigen? Ein junger, ungestümer Mann fesselt die Frau, die er liebt, gewaltsam ans Bett, um, wie er ihr treuherzig erklärt, sie für sich zu gewinnen.
Aber schon zu seiner Entstehungszeit polarisierte der Film Teile des Publikums, das sich in seinen Erwartungen an Almodóvars „starke Frauen“ enttäuscht sah. Dabei wurde vielfach übersehen, um welch zärtlichen
Liebesfilm es sich hier handelt, dass Victoria Abril in der Rolle der Marina keineswegs eine schwache, wehrlose Frau ist, und wie virtuos hier Fragen von Sexualität, Erotik und Gewalt bildlich dargestellt werden.
Es handelt sich keineswegs um die Verherrlichung einer sadomasochistischen Beziehung, so ein häufig geäußerter Vorwurf, sondern der Film zeigt durch die konkrete Fesselung die metaphorischen Fesseln der Liebe auf.
Dass sich dabei die Rollen von unterworfener Frau und dominantem Mann spielerisch in ihr Gegenteil verkehren, Komödie und Melodram kunstvoll miteinander verlinkt werden , gelacht werden darf und das Happy End einen
Mann unter dreifachem weiblichen Pantoffel zeigt, macht außerdem den ungemeinen Reiz dieses frühen Meisterwerks von Pedro Almodòvar aus.
Sonntag, 25. Februar 2024, 17:00 Uhr
The Unbearable Lightness of Being USA 1988 | R: Phililp Kaufman | D: Milan Kundera, Jean-Claude Carriere, Philip Kaufman | K: Sven Nykvist | M: Leoš
Janaček | Mit: Daniel Day-Lewis, Juliette Binoche, Lena Olin, Daniel Olbrychski, Erland Josephson, Derek de Lint | 171 min | OmU
Einführung und Moderation: Salek Kutschinski und Corinna Wernz
Ausgerechnet die in Lifestyle-Dingen ahnungslose Andrea (Anne Hathaway) landet in ihrem ersten Job als Assistentin bei der charismatischen aber auch launischen Miranda Priestley (Meryl Streep), die mit
diktatorischem Führungsstil das Modemagazin „Runway“ leitet. Andrea gerät in eine Situation, die der von Alice im Wunderland ähnelt: Die Regeln dieses Paralleluniversums sind ihr völlig unbekannt: Es herrschen
Entwertung, Sarkasmus und Hektik in atemberaubendem Ausmaß. Aber Andrea will sich unbedingt bewähren, gibt dafür ihr Privatleben weitgehend auf, brüskiert Freunde und ihren Partner. Was in der Inhaltsbeschreibung
fast nach einem Horrortrip klingt, wird aber verführerisch, unter ständiger Aufbietung fabelhaft modischer Kleidung, faszinierender Schauspielerei, unterlegt mit treibender Musik dargeboten. So werden wir als
Zuschauer lustvoll in die dargestellte Situation hineingezogen, aus der Andrea sich kaum befreien kann: Entstanden ist ein hocherfolgreicher Kultfilm. Dekonstruiert man ihn, kann er Einblicke in die dunklen Seiten
der Faszination an der Modewelt beleuchten.
Alle Filme werden im Filmmuseum München, St.Jakobs-Platz 1 gezeigt.
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