Alle Filme werden im Filmmuseum München
St. Jakobs-Platz 1,
im Stadtmuseum gezeigt.
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„Als meinen einzig sicheren Besitz empfinde ich das Gefühl der inneren Freiheit“ (Stefan Zweig).
Durchbruch wird in der Alltagssprache meist mit Erfolg assoziiert - jemand erlebt seinen Durchbruch als Künstler oder Wissenschaftler oder aber auch mit Bedrohung und Krankheit, z.B. bei
einem „Blinddarmdurchbruch“. Meist weckt der Begriff gewaltsame Bildassoziationen wie das Durchbrechen von Wänden und Felsen, aber auch Vorstellungen von Grenzen und Tabus, die
überwunden werden sollen.
Psychisch wird ein Durchbruch als äußerst konflikthaft erlebt, oft verbunden mit zwischenmenschlichen, sichtbaren Auseinandersetzungen, etwa bei einem Coming-out. Dabei geht es sowohl
um die Befreiung von äußeren Zwängen, seien diese gesellschaftlicher oder politischer Natur, als auch um das Erkennen innerer Fesseln, deren Durchtrennen das Gefühl von Freiheit, aber
auch von Verlusten bedeutet.
Diese Thematik wollen wir in den vorgestellten Filmen veranschaulichen. In „Cold War“ sind wir Zuschauer einer leidenschaftlichen Liebe, deren (Nicht)Erfüllung vor dem Hintergrund der
Nachkriegszeit wir auf der Leinwand verfolgen. „Jules et Jim“ versetzt uns in die Belle Époque, in eine ménage à trois, die zunächst luftig-leicht, gesellschaftliche Normen ignorierend
beginnt, letztlich aber scheitert und in eine Tragödie mündet. Mit „Thelma und Louise“ erweitert Ridley Scott die bis dato den Männern geltende Domäne des Roadmovies und Western: Es
geht um das Erleben einer Frauenfreundschaft, um Selbstfindung und radikale Befreiung von äußeren und inneren Zwängen. In „Mr. Morgan's last Love“ bezeichnet der gealterte Matt
(Michael Caine) Pauline als „Riss in meiner Welt“. Auch hier nehmen wir Zuschauer teil an der Auflösung eines bisher unhinterfragten Selbstbilds als zukunftslosem Menschen. Bernhard
Sinkels „Mädchenkrieg“ zeigt uns in der Zeit vor und während des 2. Weltkriegs sich stark unterscheidende Biographien im Schatten eines Zivilisationsbruchs.
Irmgard Nagel
Sonntag, 20. Oktober 2019, 17:30 Uhr
Zimna wojna (Cold War - der Breitengrad der Liebe) - P, F,UK 2018 - R: Pawel Pawlikowski - B: Pawel Pawlikowski, Janusz
Glowacki - K: Lukasz Zal – D: Joanna Kulig, Tomasz Kot, Agata Kulesza, Boris Szyc, .88 min, OmU
Einführung und Diskussion: Katharina Leube-Sonnleitner & Irmgard Nagel
Fünf Jahre nach seinem Welterfolg Ida realisierte der polnische Regisseur erneut einen Film als klassischer auteur in seinem Heimatland, diesmal mit stark autobiographischen Anklängen
an die Geschichte seiner Eltern, der Geschichte eines Paares, das nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander leben kann. Der Film zeigt über einen Zeitraum von 20 Jahren in elliptischer
Form, wie persönliche und weltgeschichtliche Erfahrung nicht voneinander zu trennen sind im kommunistischen Polen der 60er Jahre, und später im Paris des Aufbruchs der 68er und folgenden
Jahre im Westen. Die Musik spielt im Lebens der beiden Liebenden Zula und Tomas in beiden Welten die Hauptrolle, und so ist der Film, wieder in kühlem, brillantem Schwarz-Weiß gedreht,
nicht nur optisch, sondern auch musikalisch ein sinnlicher Genuss. In nur 88 min ersteht die untergegangene Welt der osteuropäischen Nachkriegszeit präzise und in ihrer Kargheit
berührend vor unseren Augen und ebenso ein episches Panorama der Zeit des Kalten Krieges, beides vor dem Hintergrund einer wilden, innigen, grausamen, unmöglichen Liebe. Dass die Beiden
die gewonnene Freiheit, ihr Leben zu gestalten, wie sie wollen, nicht wirklich nutzen können, wirft Fragen auf, die uns Alle betreffen.
Sonntag, 24. November 2019, 17:30 Uhr
Jules et Jim – F 1962 - R: François Truffaut - B: François Truffaut, Jean Gruault, nach dem Roman von Henri-Pierre Roché
- K: Raoul Coutard | M: Georges Delerue - K: Raoul Coutard - M: Georges Delerue - D: Jeanne Moreau, Oskar Werner, Henri Serre, Vanna Urbino, Serge Rezvani, 105 min, OmU
Einführung und Diskussion: Matthias Baumgart & Eva Friedrich
Am Anfang des Films sind es nur die Freunde Jules und Jim, die einander nah sind. Frauen sind, von Jim lässig umspielt, von Jules sehnend begehrt, für die beiden eher Gesprächsthema als
eigenständige Figuren. Das ändert sich, als Catherine zwischen sie tritt. Ein schwebendes, auch für uns Zuschauer unwiderstehliches, atemlos-ausgelassenes Liebesdreieck entsteht, von
einer virtuosen Handkamera hautnah verfolgt. Aber ausgerechnet Catherine, die jede Norm spielerisch durchbricht, möchte Jules für sich alleine gewinnen und behalten. Also werden Ehen
geschlossen und geplant, Kinder gewünscht und gezeugt. Die Faszination des ständigen Bruchs der Konvention, des ständig möglichen Neubeginns verlässt aber trotz aller damit verbundenen
Schmerzen den Film und damit uns Zuschauer bis zum Schluss nicht. Nicht einmal in einem Film der Nouvelle Vague konnte oder durfte das in den frühen Sechzigern des letzten Jahrhunderts
zu einem guten Ende führen.
Sonntag, 15. Dezember 2019, 17:30 Uhr
Mr Morgan’s Last Love (Mr. Morgans letzte Liebe) – D,B,F,USA 2013 – R: Sandra Nettelbeck – B: Sandra Nettelbeck, Francoise
Dorner – K: Michael Bertl – M: Hans Zimmer – D: Michael Caine, Clémence Poésy – 116 min, OmU
Einführung und Diskussion: Mathias Lohmer & Corinna Wernz
Matthew Morgan (Michael Caine), ehemals Professor für Philosophie in Princeton, USA, lebt nach dem Tod seiner Frau alleine in deren großem Appartement in Paris. Dorthin waren beide für
ein „gutes Leben“ nach seiner Emeritierung gezogen. Melancholisch und vereinsamt, ohne seine Frau als emotionales und soziales Sprachrohr zum Leben, spielt sich dieses in müden Routinen
ab – bis er einer jungen Frau, Pauline Laubie (Clémence Poésy), begegnet, selber auf der Suche nach Beheimatung und Ziel im Leben. Zusammen erleben sie einen DurchBruch – Anziehung,
Vitalität, Sinnerleben. Das Motto hierfür könnte das Zitat aus einem Leonard Cohen Song (Anthem) sein, das Morgan immer wieder in der Filmhandlung nennt: „There’s a crack in everything,
that’s how the light gets in“. Wir werden uns damit beschäftigen, wie dieser Film mit den Mitteln subtiler Schauspielkunst und der Atmosphäre seiner Räume den Wechsel von Melancholie und
vorsichtiger Euphorie inszeniert und uns am Auffinden der hoffnungsgebenden Risse teilhaben lässt.
Sonntag, 19. Januar 2020, 17:30 Uhr
Thelma and Louise - USA 1991 - R: Ridley Scott - B: Callie Khouri - M: Hans Zimmer - D: Susan Sarandon, Geena Davis, Harvey
Keitel, Brad Pitt, 129 min, OmU
Einführung und Diskussion:Andreas Hamburger & Vivian Pramataroff-Hamburger
Zwei Freundinnen fahren im Thunderbird zum Angeln. Als ein Mann versucht, Thelma (Geena Davis) zu vergewaltigen, erschießt Louise (Susan Sarandon) ihn und beide fliehen Richtung Mexiko.
Auf der Flucht werden sie ausgeraubt, überfallen einen Laden, nach ihnen wird gefahndet. Der Schluss ist bekannt: Zwei glorreiche Halunkinnen fliegen über den Grand Canyon. Ein Durchbruch
war Thelma and Louise allemal. Zum ersten Mal waren zwei Frauen auf einem Roadtrip, ohne sich gleich wieder an Männer zu binden; zum ersten Mal waren sie die lustvollen Outlaws, während
die Männer, auf Nebenrollen verwiesen, das statische Element vertreten; und zum ersten Mal hinterfragte ein Publikumsfilm mit seinen kräftig gezeichneten Buddy-Charakteren die von der
feministischen Filmkritik schon längst kritisierten Rollenstereotype. Auch im Elfenbeinturm der Psychoanalyse war der Film ein Durchbruch: Plötzlich waren Filme zur weiblichen Entwicklung
Mainstream-Thema. Auf Publikum wie Kritik wirkte der Film deutlich polarisierend. Er inszeniert Wunsch- und Angstphantasien, Mütterlichkeit und Adoleszenz, Sexualität und Freundschaft.
Sonntag, 23. Februar 2020, 17:00 Uhr
Der Mädchenkrieg – D 1977 – R und B: Bernhard Sinkel & Alf Brustellin – K: Dietrich Lohmann – M: Nicos Mamangakis – D: Hans
Christian Blech, Adelheid Arndt, Katharine Hunter, Antonia Reininghaus, Matthias Habich, Dominik Graf, Christian Berkel, Walter Taub, ca. 143 min.
Einführung und Diskussion: Salek Kutschinski
Im Prag der Zeit vor und während der deutschen Besatzung der Tschechoslowakei im Zweiten Weltkrieg versuchen die drei Töchter eines reichsdeutschen Bankdirektors ihre privaten und dennoch
vom politischen Umfeld nicht zu trennenden Probleme ganz unterschiedlich zu lösen. Die Älteste schließt eine Zweckehe, die Mittlere sucht einen Ausweg im Kloster und die Jüngste kämpft im
kommunistischen Widerstand. Nicht allen gelingt ein Durchbruch. Die charakterliche Zeichnung des von Blech schillernd dargestellten Vaters ist die eines Menschen, der sich aus moralischen
Skrupeln zwar nicht völlig dem Naziregime beugt, es aber auch nicht bekämpft, da er doch Profiteur der politischen Lage bleiben möchte. Dramaturgisch verdichtet der Film den kurz zuvor
erschienenen epischen Erfolgsroman Manfred Bielers. Regisseur Bernhard Sinkel, der ab den Siebziger Jahren auch ein führender Vertreter des engagierten politischen Kinos war, ist
anlässlich seines 80. Geburtstags zu Gast im Filmmuseum und wird sich nach der Vorstellung mit Salek Kutschinski unterhalten und mit dem Publikum diskutieren.
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