Frühere Filmvorführungen

Thema - Lieblingsfilme

Haben auch Sie einen Lieblingsfilm? Kennen Sie die nie alternde Begeisterung für Schauspieler und den Regisseur einer Geschichte, einer überraschenden Gegebenheit, eines Plots, dessen Entwicklung Sie sekundengetreu vorauserzählen können und dennoch gebannt, verstört, beglückt immer aufs neue verfolgen? In unserer Jubiläumsreihe wollen wir Sie zu fünf solchen Lieblingsfilmen einladen und herausfinden, wie ein Film menschliche Konflikte, kulturelle, politische und geschichtliche Entwicklungen so verdichtet, dass ein alterungsgeschütztes Meisterwerk gelingt. Sie können unsere Liebhaber und Liebhaberinnen in der Diskussion dazu gerne auf die Couch legen!
Dr. med Corinna Wernz


Sonntag 22. Oktober 2017, 17:30 Uhr
Rękopis znaleziony w Saragossie
(Die Handschrift von Saragossa) – Polen 1964 – R: Wojciech Has – B: Tadeusz Kwiatkowski– K: Mieczysław Jahoda – M: Krzysztof Penderecki - D: Zbygniew Cybulski, Elżbieta Czyżewska, Beata Tyszkiewicz, Gustaw Holoubek – 182 min, OmU
Einführung und Diskussion: Salek Kutschinski

Als Bewunderer dieses hochgradig surrealen, komischen und expressionistischen „Lieblingsfilms“ und Kultfilm des Phantastischen Kinos befinden wir uns in bester Gesellschaft mit Buñuel, Scorsese und Coppola. Der als unverfilmbar geltenden verzwackten Romanvorlage des Abenteurers Graf Potocki entspricht der Regisseur erzähltechnisch durch viele Rückblenden, die er sogar noch mehr verschachtelt als Pasolini in seinen „Erotischen Geschichten aus 1001 Nacht“ und durch die zumindest ein Teil der aberwitzig zahlreichen Romanfiguren und Nebenhandlungen repräsentiert ist. Cybulski, der früh verstorbene Starschauspieler des polnischen Kinos, brilliert in einer seiner berühmtesten Rollen als in der Sierra Morena zur Zeit der Inquisition von spukhaften Kräften herumgetriebener Offizier, der jeden Morgen vom Murmeltier gegrüßt unter einem Galgen mit Gehenkten erwacht. Bei jeder neuen Verschachtelung der Geschichte in die Tiefe wächst die Lust des mitdelirierenden Zuschauers, während gegen Ende, beim Auftauchen aus ihr, die Angst steigt, dieser Film mit beträchtlicher Überlänge könne jemals enden.


Sonntag 26. November 2017, 17:30 Uhr
Ida
- Polen, Dänemark, Frankreich, UK 2013 - R: Pawel Pawlikowski - M: Kristian Eidnes Andersen - D: Agata Trzebuchowsk, Agata Kulesza, David Ogrodnik - 80 min, OmU.
Einführung und Diskussion: Katharina Leube-Sonnleitner

Polen im Jahr 1962. Die Novizin Anna, aufgewachsen als Waise im Kloster, soll nach Warschau fahren, bevor sie ihr Gelübde ablegt, um ihre letzte noch lebende Verwandte, ihre Tante Wanda, zu besuchen. Wanda klärt das schockierte junge Mädchen brüsk über ihre Herkunft auf, und die beiden sehr unterschiedlichen Frauen begeben sich auf eine Reise durch das Land und in eine finstere Vergangenheit. In diesem modernen Roadmovie verdichtet sich die furchtbare Geschichte des 20. Jahrhunderts im Schicksal einer Familie in berückenden Schwarz-Weiß-Bildern. Dem sparsamen Text entspricht die Kargheit der gezeigten Landschaft, Städte und Dörfer. Die Komplexität des Innenlebens der beiden Frauen spiegelt die psychischen Verheerungen, die Nazibesatzung, Krieg und Stalinismus neben Tod und Zerstörung hinterlassen haben. Ein zeitloses und sehr bewegendes Drama über Fragen der Identität, Schuld, Erlösung, Hoffnung und… Liebe. Ganz nebenbei erleben wir tief seelische Bewegungen und Tröstungen durch Musik.


Sonntag 17. Dezember 2017, 17:30 Uhr
North by Northwest
( – USA 1959 – R: Alfred Hitchcock – B: Ernest Lehmann – K: Robert Burks – M: Bernard Herrmann – D: Gary Grant, Eva Marie Saint, James Mason - 136 min, OmU
Einführung und Diskussion: Mathias Lohmer

Ein harmloser Werbefachmann wird mit einem Geheimagenten verwechselt und gerät in eine atemberaubende Geschichte von Bedrohung, Schuldgefahr und Identitätsverlust. Gesucht von der Polizei und in einer gleichzeitigen Flucht- und Verfolgungsbewegung gegenüber den „Staatsfeinden“ und Spionen bewegt er sich in einem rasanten Road Movie quer durch die USA, um seine Unschuld zu beweisen – vom Mord im UN-Gebäude in New York bis zum berühmten Showdown auf dem Mount Rushmore Monument. Dabei begegnen uns vertraute Archetypen der Hitchcock-Welt: eine schöne, kühle, hintergründige Blondine, sarkastisch-bedrohliche Gangster, Suspense, wenn wir vor dem Helden die Gefahr ahnen. Und wir identifizieren uns mit einem eleganten Gary Grant, der nicht nur für Hitchcock zu einem Alter Ego wird, das er gerne gewesen wäre.


Sonntag 28. Januar 2018, 17:30 Uhr
Sleuth
(Ein Mord für 2) - USA 2007 - R: Kenneth Branagh - B: Harold Pinter - D: Jude Law, Michael Caine - 89 min, OmU
Einführung und Diskussion: Vivian Pramataroff-Hamburger

Das Remake der 35 Jahre älteren Erstfassung (GB 1972) von Joseph L. Mankiewicz, in dem Michael Caine die Rolle des Liebhabers und Laurence Olivier den betrogenen Starautor spielte, ist vordergründig ein Männerdrama. Der junge arbeitslose Schauspieler Milo besucht den berühmten Schriftsteller Wyke in seinem computergesteuerten Haus. Als Lover von Wykes Ehefrau verlangt er die Scheidung. Zwischen den beiden Männer beginnt ein Spiel in drei Akten. Auf der Leinwand sind nur die großartigen männlichen Hauptdarsteller zu sehen. Es entsteht Nähe und heimliche Anziehung zwischen den Rivalen, gesteigert bis zum sadomasochistischen Duell. Unterhalb der Handlungsebene zeigen Signale der Bild- und Raumstruktur jedoch: Das Drama wird von der Präsenz einer unsichtbaren, potenten Dritten getragen. Der Film umspielt und verdreht Gender- und Generationsgrenzen und stellt die Identifikationen der Zuschauerin, des Zuschauers auf den Kopf. Wer ist die umkämpfte Frau, wer der eindringende Voyeur? Wer ist der Gewinner (wenn es einen gibt)?


Sonntag 25. Februar 2018, 17:30 Uhr
I'm not there
- USA 2007 - R: Todd Haynes - B: Todd Haynes, Oren Moverman - K: Ed Lachman - D: Christian Bale, Cate Blanchett, Marcus Carl Franklin, Richard Gere, Heath Ledger, Ben Whishaw - 130 min, OmU
Einführung und Diskussion: Matthias Baumgart

Sechs Hauptdarsteller gibt es in diesem Film, aber der, um den sich der Film dreht – Bob Dylan – wird nicht dargestellt, ist eben nicht da: Nicht einmal sein Name wird genannt, präsent ist er nur mit seiner im Film – meist in Coverversionen – erklingenden Musik. Und auch wenn in der locker-assoziativen, traumartigen Szenenfolge teilweise dennoch Stationen aus Bob Dylans Leben dargestellt werden, greift hier die Bezeichnung „Filmbiographie“ zu kurz. Vielmehr entsteht ein bebilderter Essay über die 60er und 70er Jahre, der auch noch raffiniert mit den Stilmitteln des damaligen Avantgarde-Kinos spielt. Eine stilistische Fundgrube also, zum Enträtseln und doch immer wieder verwirrt werden – wie Dylans Texte. Wir Zuschauer tauchen in eine Zeit ein, in der für alle Identitäten und Lebensentwürfe kaleidoskopisch aufbrachen und vieldeutig wurden.


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