In der von der Akademie und dem Filmmuseum München veranstalteten Reihe Psychoanalyse und Film werden folgende Filme von einer Psychoanalytikerin und/oder einem Psychoanalytiker kommentiert (einschließlich Diskussion mit dem Publikum)

Aktuelles Filmprogramm

Film und Psychoanalyse – Oh Girl

Nach unserer letzten Filmreihe „Jungs. Und wie!“ sind jetzt schon aus Fairness die Girls an der Reihe. Unvermeidlich die Assoziationen, vom Beatles-Seufzer „Ah, girl, girl…“ bis Dostojewskis Prognose: „Schönheit wird die Welt retten“. Aber sind Girls immer schön, mutig, stark und sexy? Die Filme unserer Staffel zeigen die jungen Frauen recht unterschiedlich. In Marjane Satrapis „Persepolis“ ist die junge Protagonistin vom frauenfeindlichen totalitären Regime im Iran gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und ein neues Leben im Exil aufzubauen. Auch die junge Ree aus Debra Graniks „Winter´s Bone“ kämpft in einem verrückten, zwielichtigen System um ihre Familie mit enormer Courage und nachhaltiger Entschiedenheit. In „The Devil Wears Prada“ von David Frankel lässt sich die tollpatschige Andrea schnell in die Hexenküche des Modemagazins Runway und ihrer Chefin Miranda hineinziehen. Joachim Triers Film „Der schlimmste Mensch der Welt“ erzählt von der Verlorenheit einer jungen Frau, die auf den Wolken ihrer Unentschiedenheit schwebt und sich auf nichts festlegen kann, bis sie ihre Adoleszenzkrise überwindet – wie eine weibliche Ausgabe von Nico in Ole Gersters „Oh Boy“, der unsere Jungs-Staffel eröffnet hatte. Wenn das die Art Schönheit ist, die Dostojewskij gemeint hat, glauben wir gern, dass sie das Zeug hat, die Welt zu retten.
Vivian Pramataroff-Hamburger


Sonntag 19. März 2023, 17:00 Uhr
Persepolis
- F 2007 - Regie und Zeichnung: Marjane Satrapi & Vincent Paronnaud - Sprecherinnen: Chiara Mastroianni, Catherine Deneuve, Danielle Darrieux, Simon Abkarian D: Jasmin Tabatabai, Eva Kryll, Nadja Tiller, Marcus Off, Hanns Zischler. - 95 Min, Om engl.U
Einführung und Diskussion: Andreas Hamburger

In ihrer 2007 verfilmten Graphic Novel Persepolis(2000-2003) zeichnet Marjane Strapi ihre Kindheit zur Zeit der Islamischen Revolution aus der Sicht des damals achtjährigen Mädchens Marjane, die erste Hoffnung ihrer liberalen Familie auf einen demokratischen Wandel und das bittere Ersticken dieser Hoffnung unter der klerikalen Diktatur. Obwohl die Eltern sie im Ausland vor der Hassgesellschaft in Sicherheit bringen, kehrt sie als junge Frau nach Teheran zurück und versucht ein richtiges Leben im falschen. Das ist berührend geschildert, und scheitert zuletzt doch. Sie entscheidet sich, erneut zu emigrieren – und dies ist ihr Bericht. Es ist aber viel mehr als ein Bericht. In der Strenge und zugleich Leichtigkeit der meist schwarz-weißen Zeichnungen, in der Präsenz der sowohl im französischen Original als auch in der deutschen Synchronfassung herausragend gesprochenen Figurenstimmen werden wir tief in die Wirklichkeit gezogen, die immer ein Traum ist – auch unser Traum. Persepolis, nach gut 15 Jahren hochaktuell, spiegelt auch uns als westeuropäischem Publikum eine Signatur des Humanen, der wir auf die Dauer nicht ausweichen können, so sehr wir selbst blind zu seiner Unterdrückung beitragen.


Sonntag 23. April 2023, 17:00 Uhr
Winter's Bone
- USA 2010 – R: Debra Granik - B: Debra Granik, Anne Rosellini nach dem Roman von Daniel Woodrell – K: Michael McDonough – M: Dickon Hinchliffe – D: Jennifer Lawrence, John Hawkes – 103 Min, OmU
Einführung und Diskussion: Katharina Leube, Irmgard Nagel

Im Zentrum von „Winter's Bone“ steht eine jugendliche Heldin, die siebzehnjährige Ree Dolly (Jennifer Lawrence), die als ebenso fürsorgliches wie unerschrockenes "Familienoberhaupt" in Erscheinung tritt. Ree möchte ihren Geschwistern und der schwer depressiven Mutter das Heim erhalten, das der Vater als Kaution für seine Freilassung aus dem Gefängnis verpfändet hat. Bis zur Vollstreckung der Pfändung hat sie eine Woche Zeit, den verschwundenen Vater zu finden oder seinen Tod nachzuweisen. Hartnäckig verfolgt sie ihr Ziel; weder Drohungen der verschworenen Nachbarschaft, die befürchtet, dass durch Gerede die heimliche Produktion der Droge Crystal Meth auffliegen könnte, noch körperliche Gewalt gegen sie lässt Ree verzagen. Mit ihrem Mut und ihrer Unerschrockenheit imponiert Ree schließlich sogar ihrem Onkel Teardrop (John Hawkes) der seiner Nichte zunächst nicht helfen will …Debra Granik und Anne Rosellini adaptierten den 2006 von Daniel Woodrell veröffentlichten Roman „Winter’s Bone“ fürs Kino. Gedreht an Originalschauplätzen in den Gebirgswäldern des südlichen Missouri ist ein Independant-Film entstanden, der eine lebensnahe, tiefgründige und ergreifende Geschichte aus dem sog. „White Trash“-Milieu erzählt.


Sonntag, 21. Mai 2023, 17:00 Uhr
Der Schlimmste Mensch der Welt
- N, F, Schweden, Dänemark, 2021 - R.: Joachim Trier - K: Kasper Thuxen - D: Renate Reinsve, Anders Danielsen, Herbert Nordrum – 128 Min, OmU
Einführung und Diskussion:Vivian Pramataroff-Hamburger

Der Film erzählt die Geschichte der 30-jährigen Julie, die es irgendwie nicht schafft, erwachsen zu werden und ihr Leben in den Griff zu bekommen. Welche Ausbildung sie auch immer aufnimmt, sie langweilt sich schnell und bricht sie ab. Ebenso unbeständig ist sie in ihren Beziehungen, die ein einziges Chaos sind. Sie sucht etwas, das noch keine Konturen hat, keinen Inhalt und keine Richtung. Gerade durch dieses Abgleiten am eigenen Leben fühlen wir uns zu ihr hingezogen. Geleitet von einer Kamera, die mal liebevoll Räume eröffnet, mal hastig durch die zwölf Kapitel des Films blättert, durchleben wir ihre Flirts, die bisweilen mit seltsamen Dialogen geschmückt sind, ihre Entscheidungsversuche, aber auch einen eingefrorenen Moment des Verliebtseins. Ist das der schlimmste Mensch der Welt?.


Sonntag, 18. Juni 2023, 17:00 Uhr
The Devil Wears Prada
- USA 2006 - R: David Frankel - B: Aline Brosh-McKenna - K: Florian Ballhaus - M: Theodore Shapiro - D: Anne Hathaway, Meryl Streep, Emily Blunt, Stanley Tucci - 109 Min, OmU
Einführung und Diskussion: Matthias Baumgart

Ausgerechnet die in Lifestyle-Dingen ahnungslose Andrea (Anne Hathaway) landet in ihrem ersten Job als Assistentin bei der charismatischen aber auch launischen Miranda Priestley (Meryl Streep), die mit diktatorischem Führungsstil das Modemagazin „Runway“ leitet. Andrea gerät in eine Situation, die der von Alice im Wunderland ähnelt: Die Regeln dieses Paralleluniversums sind ihr völlig unbekannt: Es herrschen Entwertung, Sarkasmus und Hektik in atemberaubendem Ausmaß. Aber Andrea will sich unbedingt bewähren, gibt dafür ihr Privatleben weitgehend auf, brüskiert Freunde und ihren Partner. Was in der Inhaltsbeschreibung fast nach einem Horrortrip klingt, wird aber verführerisch, unter ständiger Aufbietung fabelhaft modischer Kleidung, faszinierender Schauspielerei, unterlegt mit treibender Musik dargeboten. So werden wir als Zuschauer lustvoll in die dargestellte Situation hineingezogen, aus der Andrea sich kaum befreien kann: Entstanden ist ein hocherfolgreicher Kultfilm. Dekonstruiert man ihn, kann er Einblicke in die dunklen Seiten der Faszination an der Modewelt beleuchten.


Alle Filme werden im Filmmuseum München, St.Jakobs-Platz 1 gezeigt.

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