Frühere Filmvorführungen

Thema: Film und Psychoanalyse

Ein Film trifft auf die individuelle Imagination des Zuschauers, auf seine bewussten und unbewussten Erwartungen an den Film, seine inneren Konflikte, seine Phantasien, seine unbewussten Wünsche und Ängste, seine Grundannahmen zum Leben und zur Welt. Diese individuelle Gefühlswelt mischt sich mit der filmischen Darstellung, was erklärt, dass ein Film bei jedem Betrachter unterschiedlichste Emotionen hervorrufen und unterschiedlich interpretiert werden kann.
Den Psychoanalytiker interessiert am Film zum einen die unbewusste Botschaft, die sich hinter dem manifesten Filminhalt verbirgt und die oftmals an zu entschlüsselnde Träume erinnert. Zum andern aber bildet die Funktion des Kinos als Medium des gesellschaftlichen Unbewußten einen weiteren Anreiz zur Interpretation, da durch filmische Verarbeitung von beispielsweise sozialen Konflikten, Geschlechterbeziehungen oder auch historischen Traumata die Grund- und Lebenseinstellungen des Zuschauers verfestigt oder neu formuliert werden können.
Bei der analytischen Filmbetrachtung geht es um den Wunsch, Einblicke in die menschliche Seele, in eigene innere Vorgänge und in die Natur des Menschen allgemein zu gewinnen. Nicht allein die in Handlung umgesetzte Filmerzählung (Narrativ) löst beim Zuschauer komplexe Reaktionen aus, sondern vielmehr die vom Künstler eingesetzten filmsprachlichen Mittel, wie Kameraeinstellung, Schnitt und Montage. Des Weiteren lassen die Personeninszenierungen, die Musik und Hintergrundgeräusche die Darstellung lebendig werden und regen - vom Regisseur bewusst eingesetzt - unterschiedlichste Gefühle an.
Seit Anfang der 90er Jahre entwickelt sich weltweit ein zunehmendes Interesse an psychoanalytischen Filminterpretationen. Dies zeigt sich u.a. an Filmvorführungen mit anschließender Diskussion in öffentlichen Kinos, aber auch an speziellen Tagungen zur Thematik. Die Filmreihe im Filmmuseum stellt ausgewählte Filme namhafter Filmemacher vor, die von Referenten der Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie in München eingeführt werden. Nach den Vorstellungen und einer kurzen psychoanalytischen Interpretation einiger wichtiger Szenen (oder auch nur der Schlüsselszene) wird versucht werden, mit dem Publikum in einen Dialog zu treten.
Irmgard Nagel


Mittwoch 18. Juni 2008, 21.00 Uhr
Le Charme discret da la Bourgeoisie (Der diskrete Charme der Bourgeoisie)
- Frankreich 1972 - Luis Bunuel - B: Luis Bunuel, Jean-Claude Carriere - K: Edmond Richard - M: Guy Villette - D: Fernando Rey, Delphine Seyrig, Stephane Audran, Bulle Ogier, Jean Pierre Cassel, Michel Piccoli – 101 min, OmU
Einführung und Kommentar:Andreas Hamburger

Sechs Großbürgerliche sind zum Essen verabredet. Ort und Zeitpunkt scheinen falsch zu sein. Der Versuch wird wiederholt, mehrfach, ohne rechten Erfolg. Zum Essen kommt es nicht wirklich. Sei es, weil ein Mißverständnis verliegt, sei es, weil alle verhaftet werden, sei es, weil alle erschossen werden, sei es, weil das Treffen nur ein Traum, eher ein Alptraum, war. So ist der ganze Film: nicht zu entscheiden, ob Traum, oder Pseudorealität (Fiktion), und selbst im Traum gibt es immer wieder andere, die ihrerseits ihre Träume zum besten geben. Ironie und Psycho ohne Analyse. Das Unbewußte lebt. Und es sagt alles, auch wenn Bunuel es nichts erklären läßt. (Andreas Thomas)


Mittwoch 21. Mai 2008, 21.00 Uhr
2046
– Hong Kong 2004 – R+B: Wong Kar-wai - K: Christopher Doyle - M: Shigeru Umebayashi - D: Tony Leung, Gong Li, Faye Wong, Zhang Ziyi, Maggie Cheung – 129 min, OmU
Einführung und Kommentar: Irmgard Nagel

Wong Kar-wai wollte den ultimativen Liebesfilnm drehen, ein Werk, in dem das Gefühl zum Bild wird, freischwebend und losgelöst von allem narrativen und dramaturgischen Ballast. Ein Film, der da beginnt, wo das Erzählen aufhört und in dem das Kino zu sich selbst findet. Ähnlich wie sein Held verharrt auch der Film in einer Zeitschleife. Er verachtet den Plot, folgt der Logik des Traums, der Assoziation, ist eher Elegie als Geschichte. (Katja Nicodemus).


Mittwoch 16. April 2008, 21.00 Uhr
Trois Couleurs: Rouge (Drei Farben: Rot))
- Frankreich 1994 -R: Krzysztof Kieslowski - B: Krzysztof Kieslowski, Krzysztof Piesiewicz - K: Piotr Sobocinski - M: ZBigniew Preisner - D: Irene Jacob, Jean-Louis Trintignant, Frederique Feder, Jean-Pierre Lorit, Marion Stalens - 99 min, OmU
Einführung und Kommentar: Günter Völkl

Eine Studentin in Genf lernt einen verbitterten pensionierten Richter kennen. Zwischen der jungen Frau und dem kalten Zyniker entsteht eine Freundschaft. Ein zweites Paar - ein junger Jurist und dessen Verlobte - erlebt dagegen das Zerbrechen seiner Beziehung. Das Schicksal des jungen Mannes ist Spiegelbild, Wiederholung und Verdopplung dessen, was der alte Richter einst in seiner Jugend erlebte. Am Ende verabschiedet sich Kieslowski von uns in der Gestalt von Jean-Louis Trintignant - mit Tränen in den Augen. Die letzte Einstellung zeigt die einer Katastrophe entronnene Irene Jacob. Die beiden Schauspieler verkünden für Kieslowski eine Botschaft, die der Psychoanalyse als klinischer Kunst so nahe kommt: die der seelischen Erschütterung, aus der lebendige Beziehung entsteht.


Mittwoch 19. März 2008, 21.00 Uhr
THE BIRDS (Die Vögel)
– USA 1963 – R: Alfred Hitchcock - B: Evan Hunter, nach einer Geschichte von Daphne Du Maurier - K: Robert Burks - M: Bernard Herrmann - D: Rod Taylor, Tippi Hedren, Jessica Tandy, Suzanne Pleshette, Veronica Cartwright – 119 min, OF
Einführung und Kommentar: Matthias Baumgart

Der zentrale Aspekt des Films ist im Grunde, daß er sich sehr ernsthaft mit den zwischenmenschlichen Beziehungen auseinandersetzt und mit der Oberflächlichkeit, von der sich die meisten leiten lassen. Gerade weil der Film ausschließlich auf der symbolischen Ebene operiert, wirkt er bizarr und schwer klassifizierbar. Manche sehen in ihm einen Horrorfilm, obwohl er keine der charakteristischen Eigenschaften dieses Genres aufweist. (Donald Spoto)


Mittwoch 20. Februar 2008, 21.00 Uhr
SPIDER
– Kanada 2002 – R: David Cronenberg - B: Patrick McGrath, nach seinem Roman - K: Peter Suschitzky - M: Howard Shore - D: Ralph Fiennes,Miranda Richardson, Gabriel Byrne, Lynn Redgrave, John Neville – 98 min, OF
Einführung und Kommentar: Irmgard Nagel

Es ist eine prototypische Figur, die Gestalt eines philosophischen Buchs, die Cronenberg ins Zentrum gestellt hat. Die Bücher, aus denen diese Figur stammt, sind weder die Schriften Freuds und seiner Nachfolger, keine komplizierten Abhandlungen über den Ödipus-Komplex, obwohl es hier um einen Sohn geht, den ein äußerst kompliziertes Verhältnis mit seinen Eltern verbindet; noch sind es die antiödipalen Unternehmungen der Postmoderne. Es sind die Schriften von Satre und Camus. Spider ist ein "Fremder", ein Desorientierter, dem die einfachste Alltagshandlung zum Problem wird, dessen Bezug zur Welt durch Absurdität bestimmt ist. Der Film ist eine Abhandlung über den Komplex Gedächtnis und Erinnerung. (Rüdiger Suchsland)


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