Frühere Filmvorführungen

Thema: Helden

Die Fortsetzung der Reihe „Psychoanalyse und Film“ widmet sich mit dem Thema „Helden“ erneut einem wichtigen Topos des gesellschaftlichen und individuellen Unbewußten. Wir wollen uns gemeinsam mit den Zuschauern der Frage annähern: was geschieht mit uns im dunklen Saal der geteilten und doch getrennten Intimität, wenn wir uns der Phantasie und handwerklichen Perfektion des Werks eines Filmkünstlers und damit einer intensiven Begegnung mit unserem eigenen Innenleben aussetzen. Helden gab es seit jeher. Aber unsere Wahrnehmung von ihnen ist geprägt von Imagination. Vom Helden muss erzählt werden. Seit Homers poetischen Zweikämpfen auf Leben und Tod ist der Held als Identifikationsfigur und Projektionsfläche eigener Wünsche, Ängste und Hoffnungen vom Bestehen tödlicher Gefahren ein zentrales Thema aller künstlerischen Ausdrucksformen des Menschen geblieben, also in heutiger Zeit auch und gerade im Film. Von der griechischen Tragödie, über Kriegsepen aller Zeiten bis Western und Science Fiction geht es dabei, oft in ritualisierter Form, um das über das Leben selbst gestellte Prinzip der Ehre oder den Konflikt zwischen objektiver, heroischer Pflicht und subjektiver Liebe. Der Held wächst in einer extremen Situation über sich hinaus, setzt sich für Andere selbstlos ein, kämpft allein oder ist der Einzige, der eine tödliche Gefahr richtig einschätzt und hat Gegenspieler.
Auch bei unserer Filmauswahl geht es um Helden im oben beschriebenen Sinne, obwohl der Begriff in neuerer Zeit oft anders verwendet wird. Unterhaltungs- und Sportstars werden zu Helden, obwohl sie überwiegend ihr eigenes Interesse verfolgen.
Unsere ersten prägenden Helden sind die Eltern, für den meist männlichen Helden natürlich der Vater, bis zur unvermeidlichen Desillusionierung bedingungslos geliebt und verehrt. Die Heldenverehrung ist weiterhin ein großes Thema der Adoleszenz. Vielleicht ist man so lange jung, wie man Helden hat. Die anhaltende Faszination durch manche, in Ritualen oder sprachloser Körperlichkeit erstarrten Filmhelden (z.B. im Western) erklärt sich aber nicht nur aus der infantilen Identifikation mit unsterblicher Größe, denn im Moment des Duells oder der Rettung Unschuldiger ist der Held allein und auch schwach. Wir fühlen Einsamkeit und Angst mit ihm und wollen zugleich davon erlöst werden.
Katharina Leube-Sonnleitner


Mittwoch 16. Juni 2010, 21.00 Uhr
A bout de souffle (Außer Atem)
- Frankreich 1960 - Jean-Luc Godard - 90 min, OmU
Einführung und Kommentar: Heidi Spanl, Andreas Hamburger

D : Francois Truffaut - K : Raoul Coutard - D : Jean Seberg, Jean-Paul Belmondo, Daniel Boulanger, Jean-Pierre Melville, Henri-Jacques Huet, Van Doude. Ein Kultfilm der „Nouvelle Vague“, die mit dem klassischen Studiofilm brach, das Diktat des Drehbuchs aufgab und leichte Handkameras, natürliches Licht, Originalschauplätze sowie moderne Erzählstile und Montagetechniken einsetzte. Michel Poiccard, ein Held im Kleinformat, ein kleiner Ganove. Er will alles und weiß nicht wohin, ist zielstrebig ohne Ziel. Der junge Belmondo verkörpert das Lebensgefühl Ende der 1950er; zerrissen in seiner männlichen Identität als Held, betrachtet er sehnsüchtig eine Werbetafel mit seinem Idol Humphrey Bogart. Spiegel und Schicksal seiner phallischen Potenz ist Patricia, eine amerikanische Studentin. Patricia versucht feministisch selbstbewusst ihren Weg zu gehen; sie fühlt sich von Michele angezogen und verunsichert, hält die Liebesbeziehung in der Schwebe. Das Genre des Gangsterfilms wird dabei fast von dem des Liebesfilms abgelöst.


Mittwoch 26. Mai 2010, 21.00 Uhr
High Noon (12 Uhr Mittags)
- USA 1952 - Fred Zinnemann - 85 min, OmU
Einführung und Kommentar: Corinna Wernz, Mathias Lohmer

Ein archetypischer Western: Marshal Will Kane (Gary Cooper) hat eben die Quäkerin Amy (Grace Kelly) geheiratet und ihr zuliebe seinen Posten aufgegeben, als er erfährt, dass der Bandit Frank Miller, den er vor Jahren ins Gefängnis gebracht hat, mit dem 12-Uhr-Zug in die Stadt kommen wird, um sich zu rächen. Drei Mitglieder seiner Bande warten bereits auf ihn, die eingeschüchterten Hochzeitsgäste beschwören Kane, die Stadt zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Kane beschließt aber, den Kampf aufzunehmen, allein und auf sich gestellt. Der Film ist aus verschiedenen Gründen interessant: ein gebrochener Held, eigenständige und selbstbewusste Frauenfiguren, eine Auseinandersetzung mit“ Feigheit“ und „Mut“, die auch als ein Reflex auf die Intellektuellen-Verfolgung der McCarthy-Ära verstanden werden kann. Formale Merkmale wie die Einheit von Ort und Zeit – Filmzeit und reale Zeit stimmen überein - und die körnig-dokumentarische Kameraästhetik tragen zu der intensiven Wirkung bei.


Mittwoch 14. April 2010, 21.00 Uhr
Io non ho paura (Ich habe keine Angst)
- Italien 2003 - Gabriele Salvatore - 108 min, OmU
Einführung und Kommentar: Eva Friedrich, Katharian Leube-Sonnleitner

Süditalien, Kornfelder so weit das Auge reicht. Es ist der heißeste Sommer das Jahrhunderts. Fünf Häuser, eine gottverlassene Gegend. Sechs Kinder spielen, nach harten Regeln, die der Grausamste unter ihnen aufstellt: "wer zuerst etwas sieht, dem gehört es". So gehört die schreckliche Entdeckung von einem entführten verwahrlosten Kind in einem Erdloch eines verfallenen Bauernhofs, die der 9 jährige Michele macht, zunächst nur ihm. Er ist auf sich allein gestellt und nähert sich ihm behutsam an. Schrecklicher noch als diese Entdeckung ist, was er dabei in seiner Familie und deren Umfeld erfährt - wozu diejenigen fähig sind, die ihm nahe stehen. - Ein kleiner großer Held. Aber nur scheinbar eine Kindergeschichte. Eine spannende Geschichte über die Kraft der Mitmenschlichkeit und Freundschaft, die die Angst besiegen kann.


Mittwoch 24. März 2010, 21.00 Uhr
Alien
- USA 1979 - Ridley Scott - 116 min, OmU
Einführung und Kommentar: Matthias Baumgart, Irmgard Nagel

Sigourney Weaver verkörpert als Lieutenant Ripley einen zum Zeitpunkt der Entstehung des Films völlig neuen Rollentypus: sie ist eine coole, schlagkräftige Actionheldin. Ihr Gegenspieler ist das Alien, das eindringende, böse und frende Wesen, das der Schweizer Surrealist H. R. Giger faszinierend und schaurig-schön gestaltete. Immer wieder thematisiert der Film dabei die Brüchigkeit der Grenzen zwischen innen und außen: Weder das Raumschiff noch der eigene Körper sind vor dem Zgriff des Alien sicher. Ridley Scotts Weltraumdrama symbolisiert so die Gefährdung innerer Räume durch bedrohliche Objekte und verbildlicht damit ein zentrales Thema der Psychoanalyse.




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